Zusammenhang zwischen Anwesenheit und Note

Völlig überraschend zeigt sich mir heute ein Zusammenhang zwischen “Anwesenheit der Studierenden im Seminar” und der “Note der Modulabschlussprüfung”.
R
Professor Hastig
Autor:in

Joe Slam

Veröffentlichungsdatum

29. September 2023

Wer selbst als Dozent:in tätig ist, kennt diese Hypothese vermutlich: Studierende, die im Seminar anwesend sind, schneiden bei den Modulabschlussprüfungen besser ab. Es wäre doch echt schön, wenn sich diese Bauch-Hypothese irgendwie mit Evidenzstückchen stützen lassen würde…

Datensatz

An einem Seminar meiner Hochschule nahmen 27 Studierende teil. Auf unserer Lehrplattform Moodle wurden für das Seminar über die Aktivität “Anwesenheit” die Anwesenheiten der Studierenden erfasst. Moodle berechnet aus den eingetragenen Daten die prozentuale Gesamt-Anwesenheit für alle Teilnehmer:innen (100% = war immer da, 0% = war nie da). Zusätzlich wurden über die Aktivität “Abgabe” die Hausarbeiten der Studierenden (Modulabschlussprüfung) verarbeitet.

Wenn man nun die Moodle-Kursdaten extrahiert, kann man die Anwesenheiten sowie die Abschlussnoten in einer Tabelle “übereinanderlegen”. In eine CSV-Datei übertragen sieht das dann so aus:

http://www.produnis.de/nagut/anwesenheitnoten.csv

Daten in R importieren

Mittels read.table() in Kombination mit url() lesen wir die CSV-Datei in unsere R-Session.

# einlesen
df <- read.table(url("http://www.produnis.de/nagut/anwesenheitnoten.csv"), 
            sep=";", 
            header=TRUE)
# anzeigen
df
   Anwesenheit Note
1         90,9  1,7
2         40,9    5
3          100    1
4         81,8     
5            0    5
6          100    2
7         27,3  3,7
8         27,3    5
9         54,5  3,3
10        54,5     
11        45,5    4
12         100  1,3
13          50  3,3
14        27,3    4
15        68,2  2,3
16         100     
17         100    1
18          50    2
19        63,6  2,7
20        16,7     
21        31,8    4
22        72,7  3,3
23        27,3    4
24        31,8    3
25        18,2    4
26          80  1,7
27        90,9  1,3
# Datentyp
str(df)
'data.frame':   27 obs. of  2 variables:
 $ Anwesenheit: chr  "90,9" "40,9" "100" "81,8" ...
 $ Note       : chr  "1,7" "5" "1" "" ...

Die Daten sind als char eingelesen worden. Um sie per as.numeric() umzuwandlen, müssen zuvor mittels gsub() alle Kommata in Punkte umgewandelt werden. Andernfalls werden die Dezimalstellen nicht erkannt, und R meldet für jeden Eintrag nur ein NA zurück.

df$Anwesenheit <- as.numeric(gsub(",", ".", df$Anwesenheit))
df$Note <- as.numeric(gsub(",", ".", df$Note))
#anzeigen
df
   Anwesenheit Note
1         90.9  1.7
2         40.9  5.0
3        100.0  1.0
4         81.8   NA
5          0.0  5.0
6        100.0  2.0
7         27.3  3.7
8         27.3  5.0
9         54.5  3.3
10        54.5   NA
11        45.5  4.0
12       100.0  1.3
13        50.0  3.3
14        27.3  4.0
15        68.2  2.3
16       100.0   NA
17       100.0  1.0
18        50.0  2.0
19        63.6  2.7
20        16.7   NA
21        31.8  4.0
22        72.7  3.3
23        27.3  4.0
24        31.8  3.0
25        18.2  4.0
26        80.0  1.7
27        90.9  1.3
# Datentyp
str(df)
'data.frame':   27 obs. of  2 variables:
 $ Anwesenheit: num  90.9 40.9 100 81.8 0 100 27.3 27.3 54.5 54.5 ...
 $ Note       : num  1.7 5 1 NA 5 2 3.7 5 3.3 NA ...

Jetzt ist alles richtig eingelesen.

Auswertung

Da die Noten unserer Hochschule Equidistanz aufweisen (die Abstände zwischen den einzelnen Noten sind gleich breit), werden metrische Verfahren angewendet.

Punktwolke

Zunächst werden die Daten in einer Punktwolke dargestellt.

# Punktewolke
plot(df$Note, df$Anwesenheit,
     ylab="Anwesenheit in %", xlab="Abschlussnote",
     main="Anwesenheit und Noten")
# Regressionsgerade
abline(lm( Anwesenheit ~ Note, data=df), col="red")
Abbildung 1

An dem Diagramm ist bereits ein Zusammenhang ablesbar. Auch die rote Regressionslinie sieht passend aus.

Korreltation

Berechnen wir nun den Maßkorrelationskoeffizienten nach Pearson:

cor.test(df$Note, df$Anwesenheit)

    Pearson's product-moment correlation

data:  df$Note and df$Anwesenheit
t = -8.8624, df = 21, p-value = 1.536e-08
alternative hypothesis: true correlation is not equal to 0
95 percent confidence interval:
 -0.9519299 -0.7510824
sample estimates:
       cor 
-0.8882762 

Der Koeffizient ist mit -0,888 nahe an -1.

Es existiert ein starker negativer Zusammenhang zwischen Anwesenheit und Abschlussnote.

Da eine “bessere” Note mit einer “kleineren” Zahl einhergeht, ist der Einfluss negativ (je geringer die Anwesenheit, desto größer die Zahl der Note).

lineare Regression

Um die Stärke des Einflusses zu berechnen, erstellen wir zudem ein lineares Regressionsmodell nach der Struktur “Note erklärt durch Anwesenheit”.

fit <- lm(Note ~ Anwesenheit, data=df)
summary(fit)

Call:
lm(formula = Note ~ Anwesenheit, data = df)

Residuals:
     Min       1Q   Median       3Q      Max 
-1.22631 -0.35731 -0.08487  0.16461  1.42951 

Coefficients:
             Estimate Std. Error t value Pr(>|t|)    
(Intercept)  5.117412   0.272765  18.761 1.34e-14 ***
Anwesenheit -0.037822   0.004268  -8.862 1.54e-08 ***
---
Signif. codes:  0 '***' 0.001 '**' 0.01 '*' 0.05 '.' 0.1 ' ' 1

Residual standard error: 0.6137 on 21 degrees of freedom
  (4 Beobachtungen als fehlend gelöscht)
Multiple R-squared:  0.789, Adjusted R-squared:  0.779 
F-statistic: 78.54 on 1 and 21 DF,  p-value: 1.536e-08

Das Modell ist signifikant und erklärt ca. 78% des Rauschens. Die Anwesenheit hat einen Einfluss auf die Abschlussnote. Je weniger Anwesenheit, desto schlechter die Note. Da eine “bessere” Note mit einer “kleineren” Zahl einhergeht, ist der Einfluss negativ (je geringer die Anwesenheit, desto größer die Zahl der Note).

Mit jedem Prozentpunkt Anwesenheit verändert sich die Note um 0,04 Notenpunkte.

Diskussion

Korrelationen sind keine Kausalzusammenhänge! Die Daten zeigen “lediglich”, dass sich die Anwesenheiten und Notenergebnisse nach einem bestimmten Muster “gemeinsam verändern”. Dass dies so ist, kann viele Gründe haben. Es ist nicht zwingend notwendig, dass Anwesenheit die Note kausal beeinflusst.

In dem untersuchten Seminar geht es jedoch um die Anwendung spezifischen Wissens auf konkrete praktische Situationen. Im Seminar wird diese Anwendung erprobt und gefestigt. Es ist schwierig (und erfordert Überwindung des “inneren Schweinehundes”), diese Anwendungen privat, alleine und ohne “Korrekturinstanz” einzuüben. Somit ist nicht verwunderlich, dass Studierende, die wenig anwesend waren, schlechtere Ergebnisse erzielten.

Dies ist vermutlich von Fach zu Fach unterschiedlich. Es lässt sich wahrscheinlich viel leichter für eine Mathe- oder Statistikklausur lernen, wobei Übungsaufgaben bearbeitet und mit Lösungsblättern verglichen werden können. In medizinisch-pflegerischen Fächern wie “Kommunikation”, “Ethik” oder “Diagnostik” gibt es meist nicht “den einen” Lösungsweg, und das untersuchte Seminar zählt zu einem der drei genannten.

Fazit

So lange die Untersuchung nicht mit unterschiedlichen Kohorten in unterschiedlichen Seminaren wiederholt wird, gelten die Ergebnisse nur für den untersuchten Kurs. Eine verallgemeinernde Aussage ist nicht zulässig.